Wie ich zur Freiwilligenarbeit kam

Roger Berger engagiert sich seit vielen Jahren als Freiwilliger für Pro Pallium. Doch was steckt hinter der Entscheidung, sich für Menschen in schwierigen Situationen zu engagieren? Darüber schreibt er im Beitrag.

Lange Zeit führte ich ein betriebsames Arbeits- und Privatleben. Ein Leben mit Höhen und Tiefen wie es andere auch kennen. Mein freiwilliges Engagement beschränkte sich auf Partnerschaft und Familie. Zu überreich befrachtet, zu voll und zu verplant waren meine Tage, als dass ich für anderes Platz gefunden hätte. – So dachte ich jedenfalls. Und je länger ich dieses «volle» Leben führte, desto leerer fühlte ich mich in meinem Inneren. Den Sinn meiner beruflichen Tätigkeit im Bereich von Kommunikation und Marketing sah ich schon lange nicht mehr klar. Mir wurde zwar bewusst, dass ich etwas ändern sollte, brachte aber den Mut nicht auf, mein selbstgewähltes Hamsterrad zu verlassen.

Mein soziales Gewissen beruhigte ich mit gelegentlichen Beiträgen an Hilfswerke oder gemeinnützige Institutionen. Aber immer mit einem Gefühl der Unzufriedenheit ob der Anonymität einer solchen Zuwendung, von der ich weder wusste, wofür oder genauer noch für wen dieses Geld eingesetzt wurde. Mein persönlicher Durchbruch kam nach einer überwundenen Lebenskrise, einem veritablen Zusammenbruch. Während des Wiederaufstiegs, der dem tiefen Fall folgte, wuchs die Einsicht, dass ich mein Leben radikal verändern musste. Eine Veränderung, die dank grosser Unterstützung von Fachleuten, Familie und Freunden in mühevollen, manchmal erschreckend kleinen aber unbeirrbar aufwärts führenden Schritten gelang.

Im Laufe meiner Genesung wurde mir klar, dass ich nicht mehr in mein hektisches Berufsleben zurückkehren wollte, dass ich mit Menschen arbeiten, für andere Menschen da sein und etwas zurückgeben wollte. Nachdem ich mich wieder gefangen hatte, machte ich mich daran, meine Gedanken und Wünsche in die Tat umzusetzen. Mit einer neuen beruflichen Ausbildung im Bereich des Coachings und dem Aufbau einer selbständigen Tätigkeit in Lebens- und Karriereberatung eröffnete ich mir die Möglichkeit, meine Energie so einzusetzen, wie es für mich passt. Und das lässt mir die Zeit, mich freiwillig zu engagieren.

Auf Pro Pallium aufmerksam geworden, bin ich durch einen Zufall. Als ich vor fünf Jahren soweit war, mich nach einer freiwilligen Tätigkeit umzusehen, sah ich an einem Markttag in meinem Wohnort Riehen (BS) einen Stand der GGG, der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige, die in Basel Freiwilligenarbeit anbietet und vermittelt. Mit der jungen Dame am Stand verabredete ich einen Termin für eine Besprechung. An dieser Besprechung wurden mir verschiedene Möglichkeiten, freiwillig tätig zu sein, aufgezeigt. In der Folge schaute ich mir die verschiedenen Organisationen und Tätigkeiten an. Und schnell blieb ich bei Pro Pallium hängen.

Das Thema der Auseinandersetzung mit Krankheit und Tod von Kindern brachte eine Saite in mir zum Klingen, die mit einem persönlichen Erlebnis vor vielen Jahren zusammenhängt, mit dem Tod meiner damaligen Patentochter. Sie verstarb im Alter von 18 Monaten. Seither habe ich mich immer wieder mit dem Thema Sterben und Tod auseinandergesetzt. Dabei habe ich gelernt, Dinge, die ich nicht ändern kann, zu akzeptieren. Aber auch einen guten Moment zu erkennen und die Hoffnung auf weitere zu bewahren. Und gute Momente zu ermöglichen, dass war und ist mein ganz persönlicher Antrieb.

Dabei war für mich von Anfang an klar, dass ich mich auf die jeweilige Situation einlassen will und eigene Erwartungen hintenanstellen. Ich habe nur den Anspruch, meine Begleitung so gut zu machen, dass ich den Menschen, mit denen ich zu tun habe, etwas von ihrer Last abnehmen, ihnen vielleicht etwas Erleichterung und Zuversicht mitgeben kann. Für mich ist an meiner Tätigkeit für Pro Pallium bedeutsam, dass ich etwas an die Gesellschaft zurückgeben kann, indem ich Menschen begleite, denen mein Einsatz einen unmittelbaren und erlebbaren Nutzen bringt. Darüber hinaus erlebe ich die Begegnungen mit Betroffenen, Fachpersonen und andren Freiwilligen nicht nur als bereichernd, sondern auch als überaus lehrreich.

Heute bin ich sozusagen zwischen zwei Engagements. Das gute an der Freiwilligenarbeit ist, dass ich keinem Zeitdruck unterliege. Ich muss nicht der nächsten Verpflichtung nachrennen. – Verpflichtung? – Ja, denn ich verstehe auch die Freiwilligenarbeit so, dass ich eine Verpflichtung eingehe, sobald ich mich auf etwas Neues einlasse. Dafür brauche ich Zeit. Zeit für Trauer, Reflexion. Zeit, um wieder bereit zu sein, mich zu engagieren, Zeit auch um das richtige Engagement zu finden. Denn es muss ja für beide Seiten passen.

Das Thema dieser Fokus Ausgabe ist ja das Schenken. Für mich fühlt sich mein Engagement als Freiwilliger allerdings nicht wie Schenken an. Mir wurde Unterstützung und Hilfe gegeben, als ich es brauchte, jetzt ist es mir ein Anliegen, etwas davon zurückzugeben.