So hilft Pro Pallium

Ergänzende Kraft im Gesundheitssystem

Die Stiftung Pro Pallium setzt mit ihren Freiwilligeneinsätzen dort an, wo die Entlastung von Familien schwerstkranker Kinder oft am dringendsten ist: im unmittelbaren Alltag der Betroffenen. Welche Auswirkungen hat dieses Engagement für die Familie – und darüber hinaus?

Fachbeitrag von Marc Delaquis,
Co-Geschäftsführer Pro Pallium

Eine schwerwiegende Diagnose betrifft nicht nur das erkrankte Kind, sondern oft seine gesamte Familie. Neben einer immensen emotionalen Belastung stehen die Betroffenen von einem Tag auf den anderen vor einer Reihe komplexer Herausforderungen, die den Alltag beherrschen und fortlaufend belasten. Schnelle und nachhaltige Abhilfe ist gefragt. Ergänzend zu bestehenden Dienstleistungen aus Gesundheit und Soziales stehen wir mit Expertise und helfender Hand zur Seite.

Pro Pallium bietet ausschliesslich Dienstleistungen an, die vom Gesundheitssystem – Invalidenversicherung (IV), Krankenversicherung (KVG) oder Unfallversicherung (UVG) – nicht getragen werden. Die Entlastungsangebote kommen subsidiär, also unterstützend zum Einsatz. Ziel ist es, Lücken zu füllen, die durch medizinische Leistungserbringer, Spitex, Heime, heilpädagogische Institutionen und Hospizvereine nicht abgedeckt werden. Diese Institutionen konzentrieren sich in der Regel auf die erkrankte Person, Massnahmen zur Heilung der Erkrankung oder zur schulischen oder beruflichen Integration.
So gewährleistet etwa die Invalidenversicherung bis zum vollendeten 20. Altersjahr einen Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die Eingliederung in die obligatorische Schule, in die berufliche Erstausbildung, ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich gerichtet sind. Ebenso ist die Hilflosenentschädigung der IV mit einer einjährigen Wartefrist und teils schwer zu erfüllenden Kriterien verbunden. Auch sind die zur Anwendung kommenden Entschädigungssätze bei Kindern tiefer als bei Erwachsenen. Bei den sogenannten Intensivpflegezuschlägen kommt ebenfalls ein Wartejahr zur Anwendung, was keine unmittelbare Entlastung ermöglicht.

Die Obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen oder Pflegeleistungen, die in Art. 7 Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) abschliessend genannt sind.

Sinn und Zweck dieser Geldleistungen ist die Reduktion der finanziellen Last, welche nicht selten mit einem intensiven Pflegeaufwand einhergeht. Dazu gehört insbesondere die unbezahlte Care Arbeit, welche die Familien leisten. Eltern gesunder Kinder gehen bezahlter Arbeit öfter in einem höheren Pensum nach als Eltern erkrankter Kinder. Dies wirkt sich auch auf das Gehalt der Eltern aus – entsprechend können Sie weniger in ihre berufliche Vorsorge einzahlen, was sich wiederum negativ auf ihre finanzielle Situation im Alter auswirkt.

So hilft Pro Pallium

Der von Pro Pallium angebotene ambulante und zu jederzeit kostenlose Kinderhospizdienst ist auf die Lebensqualität des erkrankten Kindes, der Eltern, Geschwister und Mitbetreuenden ausgerichtet.

Wir schenken Zeit

Der ambulante Kinderhospizdienst von Pro Pallium grenzt sich klar von den Dienstleistungen einer Kinder-Spitex ab. Letztere führt die Behandlungspflege und seltener auch die gesamte medizinisch indizierte Grundpflege durch. Spitex-Einrichtungen stehen deshalb in engem Austausch mit den behandelnden Mediziner:innen und spielen in der Pflege der betroffenen Kinder eine zentrale Rolle. Betreuungsaufgaben oder weitere Entlastungsaufgaben im Familiensystem fallen jedoch nicht in ihren Zuständigkeitsbereich. Hinzu kommt, dass nicht alle Betroffenen mit einem schwerstkranken Kind Unterstützung durch einen pädiatrischen Spitex-Dienst erhalten. In gewissen Fällen reichen auch die von der IV zugeschriebenen Stunden nicht aus, um die Familie genügend zu entlasten. Es gibt Familien, die zwar ein Anrecht auf Unterstützung durch die Spitex hätten, dieses jedoch aufgrund fehlenden Personals nicht in Anspruch nehmen können.

Meldet sich eine betroffene Familie bei Pro Pallium, kann die Stiftung schnell und unkompliziert einen ersten Freiwilligeneinsatz planen. Gemeinsam mit der zuständigen Regionalleitung werden die Bedürfnisse der Betroffenen besprochen und mögliche Bereiche definiert, in welchen eine Freiwillige oder ein Freiwilliger im Alltag für Entlastung sorgen kann. Die Aufgaben, die übernommen werden, sind sehr individuell ausgerichtet und können zeitlich variieren.

Wir zeigen Optionen auf

Neben der zeitlichen Entlastung von Familien schwerstkranker Kinder bestehen auch im Bereich der Koordination von Dienstleistungen grosse Lücken. So zeigt etwa der Bericht «Angehörigenfreundliche Versorgungskoordination» des Bundesamtes für Statistik (BAG) auf, dass zwar verschiedene Institutionen wie etwa Spitäler oder Krankenversicherungen eine Koordinationsfunktion innehaben, dies jedoch über den Zeitraum, in welchem Betroffenen in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Deshalb fehlt diesen oft ein zuverlässiger Gesamtblick auf die möglichen Dienstleistungen im Bereich der Pädiatrischen Palliative Care. Zentral ist hinsichtlich dieser Thematik ebnfalls die Unterscheidung zwischen Koordinationsleistungen, die direkt die Gesundheitsversorgung des kranken Kindes betreffen und Koordinationsleistungen, die in den sozialen Bereich fallen. Insbesondere Letztere sind nicht Teil der Krankheitsbehandlung oder der Reintegration und damit in der Regel ungenügend finanziert. Das führt dazu, dass die Angehörigen selbst einen grossen Teil der Koordination übernehmen müssen. Als Folge werden Leistungen nicht bezogen, auf welche Betroffene und Familien eigentlich ein Anrecht hätten. Bei Pro Pallium werden Familien von aktuell fünf Regionalleiter:innen betreut, welche ein fundiertes Wissen über das bestehende Dienstleistungsangebot mitbringen und diese Koordinationsfunktion übernehmen. So erhalten die Familien einen gebündelten Überblick über die ihnen offenstehenden, weiterführenden Entlastungsmöglichkeiten.

Wir geben Halt

Der Prozess der Trauer hat viele Facetten und beginnt oft bereits mit der Diagnose. So haben sich die Eltern vielleicht bereits vor der Diagnose ausgemalt, wie ein nächster Geburtstag, ein erster Schultag oder gar eine erste Beziehung ihres Kindes aussehen könnte. Die Diagnose und die damit einhergehende Gewissheit, genau diese Momente nie zu erleben, können ebenfalls tiefe Trauer auslösen. Trauer begleitet alle Familienmitglieder je nach Phase auf ihre ganz individuelle Art. Unsere Regionalleiterinnen und Freiwillige versuchen der Familie Halt zu geben, indem sie ihnen ein offenes Ohr schenken. Wir erleben immer wieder, dass es für Mütter oder Väter einfacher ist, sich einer Person ausserhalb der Familie und auch ausserhalb des Behandlungskreises anzuvertrauen. Deshalb hat Pro Pallium ein explizites Trauerangebot auf die Beine gestellt: An geleiteten Trauertreffen können Betroffene in der Gruppe über ihre Erfahrungen und mögliche Bewältigungsstrategien sprechen. [QR-Code mit Link zu Trauerangebot]

Modell der Psychosozialen Entlastung

Anders als viele Assistenzpersonen, deren Leistungen über die Invalidenversicherung abgerechnet werden können und die Familien selbst organisieren müssen, besuchen die Freiwilligen von Pro Pallium eine Basisschulung, die sie auf ihre anspruchsvolle Arbeit in Familien mit schwerkranken Kindern vorbereitet. Es finden zudem regelmässig Austauschtreffen und Weiterbildungen statt und die Freiwilligen werden durch die zuständigen Regionalleiter:innen professionell betreut. Letztere sind für die Familien ebenfalls jederzeit erreichbar. Sie bieten Beratung und Informationen zu weiteren Angeboten und erleichtern dank ihrer Vernetzung in den Regionen den Zugang zu den verschiedenen bestehenden Angeboten. Dieses Modell der Psychosozialen Entlastung, welches Pro Pallium anwendet, wurde gemeinsam mit Prof. Dr. Cornelia Rüegger von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) schematisch erarbeitet. Es beruht darauf, Ressourcen zu stärken und Problemfelder zu identifizieren. Im Zentrum steht die Familie mit ihren aktuellen Bedürfnissen. In regelmässigen Abständen wird die Situation reevaluiert und gegebenenfalls die Ziele neu ausgerichtet:

Prozessbogen in der Familienentlastung (Quelle: Pro Pallium)

Gesundheits- und sozialpolitische Relevanz

Gerade weil die Umsetzung der gesetzlichen Leistungsansprüche im föderalen System je nach Kanton unterschiedlich gehandhabt wird, trägt die Arbeit von Pro Pallium durch das Füllen von Lücken in Zwischen- respektive Übergangsbereichen zu einer wesentlichen Verbesserung der Versorgungsgerechtigkeit bei und ist deshalb auch gesundheits- und sozialpolitisch relevant.

Dank der regelmässigen Besuche der Freiwilligen in den Familien und der Begleitung durch die Regionalleiter:innen von Pro Pallium findet ein kontinuierliches Monitoring des Familiensystems statt. Kritische Situationen können so frühzeitig erkannt werden. Als Koordinationsstelle mit Gesamtüberblick können die Regionalleiter:innen in diesen Fällen auch Brücken zu weiteren gesundheits- und sozialpolitischen Diensten schlagen.

Betroffene Familien berichten von einer immensen Qualität und Hilfsbereitschaft, welche die Freiwilligeneinsätze von Pro Pallium mit sich bringen. Weil diese Einsätze zur effektiven Entlastung und zu Verschnaufpausen im Alltag führen, können sie ebenfalls dazu beitragen, dass Betroffene weniger auf psychologische oder psychiatrische Dienstleistungen angewiesen sind und sich entsprechend vermehrt auch in der Lage fühlen, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.

Ausblick: Bessere Versorgung und Aufklärung

Pro Pallium hat sich seit ihrer Gründung 2005 kontinuierlich weitere Ziele gesetzt, welche über das Primärziel der psychosozialen Entlastung von Betroffenen ausgehen:

  • Eine verbesserte Versorgung schwerstkranker Kinder im häuslichen Umfeld – dazu gehört insbesondere die Sensibilisierungsarbeit und die Vernetzung der verschiedenen Akteur:innen in den Regionen.
  • Die Aufbereitung von Informationen für Familien und für Fachpersonen, um diese in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Fallvignetten dienen als Muster und Orientierungsrahmen für die Schulung und Weiterbildung.
  • Der verstärkte Austausch und die Kooperation mit Praxispädiater:innen, heilpädagogischen Institutionen und Diensten der pädiatrischen Palliative Care an Kinderspitälern, die für die Versorgung kranker Kinder im häuslichen Umfeld entscheidend sind.
  • Öffentlichkeitsarbeit und Advocacy in der Gesundheits- und Sozialpolitik: Pro Pallium will die Versorgungssituation und die Lebensverhältnisse der betroffenen Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien sichtbarer machen, aufklären und ein Bewusstsein für die Pädiatrische Palliative Care schaffen.