Interview mit Beatrice Schlumberger
Interview
Beatrice Schlumberger ist seit
sieben Jahren Regionalleiterin bei Pro Pallium. Im Interview erläutert sie, warum Freiwilligeneinsätze in der Geschwisterbetreuung so wichtig sind.
Als Regionalleiterin für die Region Mitte koordinieren Sie aktuell 30 Freiwillige. Wie sieht die Zusammenarbeit bei der Geschwisterbetreuung aus?
In der Regel gehe ich mit der freiwilligen Person auf einen ersten Besuch bei der Familie – dort lernen sich beide Parteien kennen und sehen, ob die Chemie stimmt. Dabei zeigen wir auch gemeinsam die Möglichkeiten auf, wie die Entlastung der Familie respektive die Betreuung der Geschwister konkret aussehen könnte. Daraus entwickeln wir einen Einsatzauftrag und dazu gibt es eine schriftliche Vereinbarung. Nach etwa drei Einsätzen melde ich mich bei den Freiwilligen und der Familie, hole Feedbacks und wo nötig Verbesserungsvorschläge ein. Sind die Weichen gestellt, gestalten die Freiwilligen ihre Einsätze weitestgehend autonom.
Wie gehen Sie bei Unklarheiten oder Konflikten zwischen den Freiwilligen und den Familien vor?
Beide Parteien dürfen jederzeit direkt auf mich zukommen. Wenn sich beispielsweise eine freiwillige Person mit einem Problem bei mir meldet, evaluieren wir gemeinsam die genauen Hintergründe und klären ab, ob ein Gespräch zu dritt – also mit mir und der Familie – notwendig ist. Oftmals reicht es bereits aus, wenn ich zusammen mit der oder dem Freiwilligen individuelle Massnahmen ausarbeite. Zum Beispiel wenn es darum geht, dass Wünsche oder Bedürfnisse der Geschwisterkinder oder deren Familien die Ressourcen der Betreuungsperson überschreiten. Oder wenn unterschiedliche Wertevorstellungen aufeinandertreffen. Zudem führe ich regelmässig Austauschtreffen für alle Freiwilligen durch, an denen sie ihre Erlebnisse besprechen und ihr Wissen austauschen können.
Welche Bedeutung haben die Freiwilligeneinsätze Ihrer Meinung nach für die Geschwisterkinder?
Wichtig ist hier zu erwähnen: Die gesunden Geschwisterkinder sind von der Krankheit immer auch mitbetroffen. Die Freiwilligeneinsätze ermöglichen ihnen eine Art «temporäre Normalität». In der Familie drücken sie ihre Gefühle oft weniger stark aus – aus Rücksicht auf die Sorgen und Ängste der Eltern. Mit Aussenstehenden ist dies meist einfacher, dort können sie ihren Emotionen freien Lauf lassen.

«Die gesunden Geschwisterkinder sind von der Krankheit immer auch mitbetroffen»
Beatrice Schlumberger, Regionalleiterin Mitte
Welche Feedbacks erhalten Sie jeweils von den betroffenen Familien?
Meistens sehr positive. Die Eltern freuen sich darüber, dass Ihre Kinder Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung erhalten, die sie ihnen in dieser Zeit selbst nicht bieten können. Auch Erleichterung ist ein grosses Thema – weil sie dank der Freiwilligen temporär einen Teil ihrer Betreuungsfunktion abgeben können. Manchmal fühlen sie sich jedoch auch schuldig, weil sie denken, nicht allen Kindern genügend gerecht werden zu können. Hier ist es unsere Aufgabe, ihre Leistungen wertschätzend zu würdigen. Denn es geht in dieser schwierigen Situation nicht darum «perfekt» zu sein, sondern «gut genug».